Milon von Kroton
Der wohl größte Olympionike der Antike war Milon von Kroton. Der Stern dieses berühmtesten Ringkämpfers aller Zeiten ging bei den 60. Olympischen Spielen im Jahr 540 vor Christus auf, als er im Knabenbewerb mit seinen Gegnern wenig Federlesen machte. Die nächsten Jahre stärkte er daheim in der unteritalienischen Stadt seine Muskeln, indem er immer schwerere Lasten stemmte und außerdem enthaltsam lebte. Bei den 62. Olympischen Spielen war er soweit, dass er unter den Männern keinen wirklichen Gegner mehr fand: Von 532 bis 516 v. Chr. wird Milon weitere fünf Male Olympiasieger. Erst 512 v. Chr. muss er sich einem Jüngeren beugen, doch mit dem Trost, daß es sich dabei um seinen Meisterschüler Timasitheos handelt.
Bis dahin trug er den Ehrentitel, der nur den ganz Großen im Reich der Athletik vorbehalten blieb: Periodonikes - eine Art antiker Grand Slam. So durften sich nämlich nur jene Ausnahmesportler nennen, die nacheinander bei den vier klassischen panhellnischen Spielen siegreich waren. Milons beeindruckende Bilanz: je sechs Titel bei den Olympischen und Pythischen Spielen, neun bei den Nemeischen und zehn bei den Isthmischen Spielen - macht nicht weniger als 31 Triumphe. Kein Wunder, daß keiner mehr wagte, gegen ihn anzutreten: Einmal wurde er bei Olympia sogar kampflos (akoniti = ohne den Staub berührt zu haben) bekränzt.
Und obwohl der Sport 30 Jahre lang sein Leben bestimmte, fand Milon Zeit genug, sich geistigen Disziplinen zuzuwenden und ein tüchtiger Bürger zu werden. Als im Jahre 510 v. Chr. ein krotonischer Heerzug gegen die Nachbarstadt Sybaris zum erbitterten Existenzkampf antrat, wählte man ihn zum General. Milon kleidete sich wie Herakles, der Begründer der Olympischen Spiele und Schutzgott der Athleten: Mit Löwenfell um die Schulter, der schweren Keule in der Hand und dem olympischen Kranz auf der Stirn gibt er der Truppe der Krotoniaten solchen Mut, dass ihr gegen die - wie überliefert wird - dreifache Übermacht der verweichlichten Sybariten ein strahlender Sieg gelingt. Sybaris erholte sich nie mehr von dieser Niederlage. Kroton aber stellte noch viele Olympiasieger und berühmte Athleten.
Astylos von Kroton
Ein anderer Athlet aus Kroton war Astylos, achtfacher Olympiasieger zur Zeit der Perserkriege. Zweimal hintereinander feierte er an einem Tag sowohl Siege im Stadion- als auch im Doppellauf und 480 v. Chr. steigerte er diese Glanzleistung, als er dazu noch den Waffenlauf für sich entschied (den er auch vier Jahre später gewann). Damit war er der zweite Triastes (Dreifachsieger), den uns die Sportgeschichte des Altertums überliefert.
Leonidas von Rhodos
Von allen Läufern der größte war Leonidas von Rhodos, der bei vier Olympischen Spielen (164 bis 152 v. Chr.) nicht nur im Diaulos, sondern auch im Stadion- und im Waffenlauf ungeschlagen blieb und somit zwölf Siege feierte.
Zurück zu Milon: Ein Mann wie er konnte sich bei der Vorliebe der Griechen für Anekdoten gar nicht davor retten, dass man ihm die tollsten Geschichten zuschrieb. In seiner Jugend soll er täglich ein Kalb getragen haben, um seine Kraft mit der Gewichtszunahme des Kalbs zu mehren. Doch das war nur die Vorstufe: Später soll der bärenstarke Milon unter dem stürmischen Beifall der Zuschauer einen vierjährigen Stier auf den Schultern rund um die Laufbahn (ca. 1,5 km) getragen, ihn mit einem Schlag auf die Stirn getötet und noch am selben Tag ratzeputz verspeist haben - allein!
Angeblich nichts Aussergewöhnliches: Fast neun Kilo Fleisch, ebensoviel Brot und als süffige Draufgabe zehn Liter Wein soll der Koloß von Kroton täglich zu sich genommen haben. Das wären mehr als 50.000 Kalorien! Medizinisch ist das natürlich unmöglich: Selbst ein kanadischer Holzfäller oder ein Schwerathlet unserer Tage kommt auf "nur" 8.000 Kalorien.
Gerade diese horrende Essleistungen lassen erkennen, daß man dem berühmtesten Ringer des Altertums grotesk überzeichnete Züge andichtete, die der einseitig auf den Körper konzentrierten Lebensweise der späteren professionellen Athleten entlehnt sind. Doch Milon hatte weit mehr drauf: Er lief auch auf geistigem Gebiet zu Höchstleistungen auf. Denn Kroton war auch die Stadt des Pythagoras und der Pythagoreer, eines Männerbundes also, der Philosophie betrieb und Politik mitbestimmte, der Musik und Mathematik kosmisch verknüpfte im Glauben an eine Gesamtharmonie der Welt und in einer strenggeregelten Lebenspraxis. Das Training des Sportlers, die Askesis, traf sich mit der Enthaltsamkeit der Gläubigen. Die Pythagoreer besaßen auch die besten Ärzte der griechischen Welt. Der erfolgreichste, Demokedes, schließlich Hofarzt bei Perserkönig Dareios I, heiratete, um sein internationales Ansehen zu komplettieren, die Tochter des Ringerkönigs Milon, dessen philosophische Studien sich in seiner "Physika" - einer Art Naturkunde - niederschlugen. Offenbar ein anerkanntes Werk, sonst wäre es nicht noch fast tausend Jahre später noch zitiert worden. "Gesund wie ein Krotoniate" ist noch heute eine griechische Redensart.
Milons grausiges Ende
Eine weitere Anekdote von Strabon und Gellius erzählt uns vom Tod Milons - der natürlich kein normaler, sondern ein tragischer sein musste: Eines Tages geht Milon in den tiefen Wald, findet dort einen gefällten Baumstamm, in dem Spaltkeile stecken. Voll strotzender Kraft versucht er den Stamm auseinanderzureißen - die Keile fallen heraus. Doch nach einiger Zeit verlassen den Übermütigen die Kräfte - der Stamm schlägt wieder zusammen und klemmt Milons Hände ein. So gefangen, wird Milon ein Opfer der wilden Tiere - ein Opfer auch der eigenen Hybris, des Übermuts, der den Griechen als schweres Laster galt.
Als erfolgreichste Sportlerfamilie aller Zeiten wird das Geschlecht der Eratiden bezeichnet: insgesamt neun Olympiasiege in drei Generationen. Diagoras von Rhodos gewann 464 v. Chr., erlebte im Jahr 448 mit, wie seine Söhne Akusilaos und Damagetos am selben Tag den Faust- bzw. Allkampf für sich entschieden, und durfte sich später sogar über drei Allkampfsiege seines Jüngsten, Dorieus, freuen. Dazu kam noch olympischer Ruhm von zwei Enkeln.
Der berühmteste Schwerathlet war allerdings Theogenes von Thasos, der als Erster im Boxen und Pankration den Olympiasieg davontrug. Er brachte es in seiner ruhmreichen Karriere auf über 1300 Siege - ein Rekord, den erst Kaiser Nero brach, der sich 1808 Kränze aufsetzen ließ (gewiß von geringerem Wert freilich.)
Der erste Olympiasieger überhaupt war Koroibos aus Elis, der 776 v. Chr. den damals einzigen Bewerb, den Stadionlauf, gewann. Der späteste Olympiasieger, der heute namentlich bekannt ist, heißt Aurelios Zopyros - der Athener gewann 385 v. Chr. den Faustkampf der Junioren.