„Das wäre unglaublich“
Der Countdown läuft bereits: Am 31. Jänner und 1. Februar treffen Österreichs Herren in einem Heimspiel im Multiversum Schwechat in der ersten Qualifikationsrunde zu den Davis Cup Finals 2025 auf Finnland. Abgesehen vom noch ums Comeback kämpfenden Sebastian Ofner geht die ÖTV-Auswahl in Bestbesetzung in diese Begegnung: mit Jurij Rodionov, Lukas Neumayer, Filip Misolic, Lucas Miedler und Alexander Erler. Knapp vorm Auftakt zu den gemeinsamen Trainings am Montag gibt der ÖTV-Davis-Cup-Kapitän und -Sportdirektor Jürgen Melzer genauen Einblick in seine Gefühlswelt und Einschätzungen zu diesem mit Spannung erwarteten Länderkampf – und träumt von einem Coup gegen die Gäste aus Nordeuropa. Beide Spieltage gibt es live auf ORF SPORT+ und ÖTV TV.
In sechs Tagen geht’s los. Mit welchem Gefühl gehst du in den Länderkampf?
Jürgen Melzer: Mit einem sehr guten Gefühl! Weil ich der Meinung bin, dass wir eine realistische Chance haben, dass wir nächsten Samstagabend als Sieger dastehen. Ich sage nicht, dass wir Favorit sind, aber es wird meiner Meinung nach ein sehr ausgeglichener Länderkampf. Und solche Länderkämpfe daheim sind doch eigentlich die schönsten.
Du hast die österreichischen Spieler gerade in den letzten Wochen sicherlich reichlich beobachtet. Wie hast du ihre Form bei den ersten Saisonturnieren erlebt?
Melzer: Durchaus ansprechend. Ich glaube, dass es vor allem wichtig ist, dass Jurij und Luki mit Matchpraxis anreisen und doch einige Matchsiege feiern konnten und sie matchfit in den Davis Cup starten – was am Anfang des Jahres ja nicht immer so ist. Man muss schauen, wie die Vorbereitungszeit verläuft, aber die beiden sind vom Ranking her sicherlich in der Poleposition, im Einzel zu spielen. Erler/Miedler werden zum ersten Mal nicht mehr als Doppelteam zum Davis Cup kommen. Die letzte Saison ist aber noch sehr frisch, also da mache ich mir keine Sorgen. Die beiden sind super eingespielt und gerade im Davis Cup immer voll präsent.
Die ÖTV-Herren haben alle sechs bisherigen Duelle mit Finnland gewonnen, zuletzt 2003 und 2019 jeweils auch mit deiner Hilfe. Was macht dich denn zuversichtlich, dass man die weiße Weste behalten wird können?
Melzer: Definitiv das Heimreicht. Ich glaube, dass unsere Spieler in der Vergangenheit im Davis Cup gerade daheim fast immer ihre Leistungen abrufen haben können. Das wird an dem Wochenende auch nötig sein! Wir brauchen sicher vier Spieler, die gut in Form sind und ihre Leistung dann auf den Platz bringen. Aber ich habe da vollstes Vertrauen und auch ein bisschen Erfahrung aus der Vergangenheit, dass das eigentlich immer gepasst hat. Wir haben deshalb nicht immer gewonnen, aber selbst wenn wir verloren haben, war die Leistung stets vollkommen in Ordnung. Darauf baue ich auch kommendes Wochenende.
Worin siehst du in diesem Länderkampf die größte Herausforderung?
Melzer: Auf der einen Seite darin, dass alle lange auf Hartplatz gespielt haben. Insofern ist eine Woche auf Sand natürlich immer was ganz Neues und anderes, die Umstellung ist nicht immer so leicht. Ich weiß aber, dass Neumayer und Erler schon in der Südstadt auf Sand trainiert haben, Miedler am Wochenende auf Sand wechselt, Rodionov wohl am Montag. Misolic war bis vor kurzem noch beim ATP-Hardcourt-Challenger in Quimper.
Und die andere große Herausforderung?
Melzer: Die ist das gegnerische Team, welches mit Otto Virtanen über einen sehr gefährlichen Spieler verfügt. Und mit Harri Heliövaara, der heute bei den Australian Open das Finale spielt, über einen Top-Doppelspieler, dessen Brust nicht viel breiter sein wird können als nach mindestens einem Grand-Slam-Finale. Es wird also gewiss nicht leicht, sich denen entgegenzustellen. Fakt ist: Einen Sieg gegen Virtanen oder im Doppel gegen Heliövaara werden wir zumindest brauchen.
Die ÖTV-Herren sind beim neuen Davis-Cup-Format erst einmal beim Finalturnier dabei gewesen. Welche Bedeutung hätte es für Österreichs Tennis, das wieder zu schaffen?
Melzer: Dazu müssten wir Finnland schlagen und dann nochmal gewinnen – so weit möchte ich noch gar nicht blicken. Es wäre schon eine Riesensache, ins Qualifikationsfinale gegen Kanada oder Ungarn zu kommen und diese Chance zu erhalten. Das wäre unglaublich! Wir sind ein kleines Land, haben im Moment keinen Top-100-Spieler. Das wäre also ein Riesenerfolg für unser Tennis und für unsere Jungs, die sich das sicher sehr wünschen und alles dafür geben werden.
Die meisten finnischen Spieler kommen jedenfalls doch mit Selbstvertrauen angereist. Wie schätzt du die Chancen nun ein? Worauf wird es ankommen?
Melzer: Darauf ankommen wird es zunächst, dass wir ihren Zweier zweimal schlagen sollten, da sind wir jedenfalls klar zu favorisieren. Und dann müssen wir eben einmal Virtanen oder ihr Doppel schlagen. Deshalb stehen die Chancen für mich ziemlich 50:50. Erler/Miedler sind für mich aber gegen niemand krasse Außenseiter, und ich sehe unsere Spieler auch gegen Virtanen nicht chancenlos. Wenn er nicht seinen allerbesten Tag hat, können wir auch gegen ihn gewinnen. Es ist jetzt nicht so, dass mit ihm ein Top-Ten-Spieler in den Länderkampf hineinginge, gegen den nichts zu holen wäre.
Was macht der Faktor Publikum aus? Und warum sollen die Leute in die Halle kommen?
Melzer: Weil definitiv eine super Stimmung herrschen wird. So einen Länderkampf zu erleben, ist immer was Besonderes. Wir haben einen super Fanclub, der immer Gas gibt und unsere Jungs sicher wieder richtig pushen wird. Das ist ein Erlebnis, bei so einem Wochenende dabei zu sein. Wir brauchen die Unterstützung unserer Fans!