Die Fahne als Bonus und Trost
Die tiefe Enttäuschung war Andreas Müller und Andreas Graf anzusehen. Gerade war das rot-weiß-rote Bahnrad-Duo 200 Runden lang hinten nach gefahren und am Ende auch noch von der Rennleitung aus dem Klassement genommen worden. Der einzige Olympiastart und dann kein Ergebnis, das ist bitter, aber noch bitterer empfanden die beiden ihre eigene Leistung.
“Zu viele Fehler von Anfang an”, so das kurze Fazit von Graf. Dabei hatte man sich viel vorgenommen, nachdem der Madison-Bewerb, ihre Paradedisziplin, bei den letzten beiden Spielen nicht Teil des olympischen Programm gewesen war. Diesmal kehrte er zurück und mit ihm kamen auch die European-Games-Bronze-Gewinner von 2019 zu ihrem Olympia-Debüt.
Noch einmal ein Top-Ergebnis sollte es werden für den 36-Jährigen Graf und den 41-Jährigen Müller, der seine aktive Karriere nach dem Olympia-Rennen beendet. “Ja, dabei bleibt es”, bestätigte er. Das wahnsinnig schnelle, hektische Rennen mit einem Schnitt von knapp 60 km/h war aber nicht nach dem Geschmack der Gesamtweltcupsieger von 2018. “Wir brauchen nicht lange drum rum diskutieren, es war zu schnell für uns. Wenn man die Beine nicht hat, um da mitzufahren, dann braucht man nicht lange überlegen, woran es gelegen hat”, resümierte Müller.
Kollege Graf ärgerte sich über ein “superschlechtes Rennen” und sah darin die größte Enttäuschung seiner sportlichen Karriere. “Ich bin mit anderen Erwartungen hierher gekommen und habe zwei Jahre harte Arbeit investiert und mit gutem Ergebnis gerechnet.” Die Diskussionen mit der Rennleitung spielten dabei eine untergeordnete Rolle.
“Letztendlich ist das auch nur ein Schönheitsfehler, denn wir sind für ein besseres Rennen mit besserem Resultat hierher gekommen”, sagt Müller. “Im Sprint war es recht aussichtslos, aber das war auch nicht unser Ziel. Wir wollten eine Runde rum fahren und auf den richtigen Moment warten, aber am Ende waren wir von den Beinen her nicht in der Position dafür”, so seine Analyse. Die ungewöhnlich vielen Stürze zeigten dem Duo aber durchaus, dass andere ebenfalls am Limit waren, nicht nur sie.
Mit der Fahne ins Olympiastadion
“Ein schöner Abschluss war es natürlich trotzdem mit Olympia”, stellte Müller klar. Auch wenn ihn der Ehrgeiz selbst nach einer so langen Sportlerkarriere nicht loslässt. “Es sollt ja keine Abschlussreise sein, sondern wir wollten hier gut fahren und unser Ziel, unter die Top-8 zu kommen, erreichen. Das haben wir heute ganz klar nicht geschafft”, musste Müller eingestehen.
Der Abschluss bekommt für den zugleich als Bahnrad-Nationaltrainer fungierenden Müller noch ein weiteres, überraschendes Kapitel hinzu: Am Sonntag wird er bei der Abschlussfeier der Spiele in Tokio die österreichische Fahne tragen. Ein Zeichen der Wertschätzung und des Dankes für seine Verdienste um den Bahnradsport in Österreich.
“Das ist natürlich ein kleiner Bonus”, meinte der gebürtige Berliner, der versicherte: “Ich fühle mich geehrt und werde die Aufgabe mit Respekt und Demut ausfüllen.” Auf dem Programm steht am Sonntag auch noch ein Abstecher ins olympische Dorf. Und danach: “Gönne ich mir eine – als 41-Jähriger – wohlverdiente Pause.”