"Skifahrerisches Niveau ist zu schlecht"
Mit den Weltcuprennen in Soldeu (AND) und einem spannenden Saisonfinish ging eine ereignisreiche Skisaison zu Ende. Zum zweiten Mal in Serie blieben die heimischen Ski-Asse sowohl bei den Damen als auch bei den Herren ohne eine einzige Kristallkugel. Insgesamt gab es 25 Podestplätze, was sich auf den ersten Blick nicht schlecht liest, es jedoch die schlechteste Ausbeute seit 38 Jahren war. Erstmals trat der Fall ein, dass Österreich weder bei den Damen noch bei den Herren der Nationencup nicht unter den Top-2 beendet werden konnte. In der Gesamtwertung gab es mit 8.729 Punkten hinter der Schweiz (11.318) allerdings mit Respektabstand Rang 2.
Vor vielen Monaten startete man mit großen Erwartungen, einem neuen Trainerteam und voller Motivation in den Skiwinter. Ein halbes Jahr später ist der anfängliche positive Tatendrang ein wenig verloren gegangen, Lichtblicke hatten in der WM-Saison eher Seltenheitswert. In den kommenden Wochen wartet auf die Athlet:innen und die Verantwortlichen eine intensive Zeit der Rückschau, Analyse und dem Blick auf die kommende Saison. Frei nach dem Motto „Nach der Saison, ist vor der Saison“, werden sicherlich bereits jetzt die Weichen gestellt werden. Bereits am morgigen Dienstag lädt ÖSV-Alpinchef Herbert Mandl zur ersten großen Saisonanalyse.
Kriechmayr als Leader
Nach dem überraschenden Rücktritt von Matthias Mayer lastete viel Druck auf den Schultern von Vincent Kriechmayr. Der Oberösterreicher zeigte sich davon unbeeindruckt und holte sich im Laufe der Saison vier Siege in der Abfahrt (Gröden, Bormio, Kitzbühel und Soldeu). Lediglich in seiner Paradedisziplin Super-G ließ der Flow auf sich warten, da fehlte die Konstanz. Neben Marco Schwarz (RTL in Palisades Tahoe) konnten sich nur Cornelia Hütter und Nina Ortlieb noch über Siege im Super-G freuen.
„Kriechmayr hat trotz vier Siegen in der Abfahrt die Kugel nicht gewonnen, weil Kilde zu konstant war. Der Norweger dominiert in der Abfahrt, Odermatt im Super-G und Riesentorlauf. Im Slalom ist es nicht so gelaufen, da waren ein paar Sachen nicht auf unserer Seite“, sagte Pfeifer. Mit Schwarz sei ein neuer Stern im Speed-Bereich aufgegangen. „Das hat gutgetan, das beflügelt die Mannschaft und schiebt an. Mannschaftlich ist man dabei, aber das letzte Alzerl müsse man noch finden, damit man auch wieder mehr Rennen gewinne. Man habe den Anspruch nach mehr.“
Unsicherheit und Missverständnisse
Für die Damen war es hingegen eine schwierige Saison voller Unsicherheiten. ÖSV-Aushängeschild Katharina Liensberger war das Sinnbild eines „gebrauchten“ Jahres mit vielen Missverständnissen. Die Vorarlbergerin blieb in den letzten Monaten hinter den eigenen Erwartungen, ihre Dynamik und ihre Leichtigkeit kamen zunehmend abhanden. Aber wie sagt man so schön: Hinfallen. Aufstehen. Krone richten. Weitergehen!
„Es war keine Topsaison, aber auch keine ganz schlechte. Wir haben einige Highlights erlebt. Die anfänglichen Turbulenzen haben wir ganz gut in den Griff bekommen. Es zeigt jetzt alles in eine richtige Richtung. Wir werden mit dem Team sicher noch einiges erreichen“, blickt Damen-Cheftrainer Thomas Trinker positiv nach vorne.
Dass am Ende eines Winters mit Cornelia Hütter nur eine Läuferin im Gesamtweltcup unter den Top-15, nämlich auf Platz 14, auftaucht, sei ernüchternd. Käme aber mit Ausnahme des Liensberger-Absturzes nicht gänzlich überraschend. „Wenn man ehrlich ist, hatten wir auch in den jüngeren Jahren außer Katharina (Anm.: Liensberger) im Technikbereich keine Siegläuferin. Und wenn sich eine, wie Steffi Brunner, wieder kurz vor dem Weltcup-Auftakt verletzt, dann sind das Rückschläge, die wir so nicht einfach kompensieren können. Auch weil zu wenig nachdrängt“, erklärt Herbert Mandl.
Heim-WM 2025 im Hinterkopf
So komplex sich der alpine Rennsport inzwischen darstellt und die Suche nach dem perfekten Paket aus Ski, Schuh und Bindungsplatte einer Wissenschaft gleicht, so banal nimmt sich der nationale Befund des diplomierten Sportwissenschafters und Trainers aus: „Unser skifahrerisches Niveau ist zu schlecht.“ Über die Sommermonate wartet somit viel Arbeit, die sich dann hoffentlich für die Saison 2023/24 positiv auswirkt. Die Uhr in Blickrichtung Heim-WM 2025 in Saalbach-Hinterglemm tickt, von daher müssen Entscheidungen überlegt getroffen werden.