Ziel: „Die Nummer eins der Welt“
Das frühe Ausscheiden beim World-Tour-Finale in Hongkong war für Österreichs 3x3-Asse die letzte Etappe einer „Achterbahnfahrt“ voller ungeahnter Höhen und bitterer Tiefen. Einem enttäuschenden zwölften Platz beim Saisonhöhepunkt auf Vereinsebene und der hauchdünn verpassten Olympia-Qualifikation mit dem Nationalteam stehen zwei Masters-Triumphe und der sensationelle Europameister-Titel auf der Wiener Kaiserwiese gegenüber. 2024 war mit weitem Abstand das beste Jahr der österreichischen 3x3-Geschichte. „Ich würde nichts an dieser Saison ändern wollen“, verdeutlicht Shootingstar Fabio Söhnel im Exit-Interview vor der Winterpause. Der Vorarlberger, der erst im April sein erstes 3x3-Turnier überhaupt bestritt, avancierte im Laufe des Jahres zum „Dauerbrenner“ – und mit seinen Kollegen Nico Kaltenbrunner, Matthias Linortner, Enis Murati, Toni Blazan und Quincy Diggs zu einem der besten 3x3-Sextetts der Basketball-Welt. Als zweitbestes Team der Regular-Season setzen sich die derzeitigen Weltranglisten-Fünften für die Zukunft große Ziele: „Wir wollen die Nummer eins der Welt sein!“
Debütant und Dauerbrenner
„Es war mein erstes 3x3-Turnier überhaupt und mein erstes Länderspiel für Österreich – und das gleich auf so einer Bühne, mit so einer Verantwortung. Der Druck war enorm“, erinnert sich der Vorarlberger unter anderem an das verlorene Finale gegen Lettland (13:19).
Auch bei der zweiten Olympia-Chance in Debrecen (HUN) wenige Wochen später gehörte Söhnel zum Aufgebot. Diesmal fehlten zwei Siege zur Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris. „Wir hatten eine Riesenchance und haben sie zweimal denkbar knapp verpasst. Das war der Tiefpunkt meiner bisherigen sportlichen Karriere. So ist der 3x3-Sport. Damals habe ich das aber noch nicht verstanden“, erklärt der 28-Jährige. Heute versteht er es besser, denn so wie für das gesamte Team nahm das lange Jahr 2024 nach (und bis) Hongkong auch für Söhnel persönlich einige unerwartete Wendungen.
„Ich dachte, dass ich zwei Masters spielen würde, schlussendlich waren es neun“, lacht der ehemalige MMA-Fighter, der Anfang des Jahres zum Team Vienna stieß.
„Mein gesamtes Basketball-Leben bin ich mit extremen Erwartungen an mich selbst an neue Aufgaben herangegangen. Beim 3x3 bin ich erstmals völlig frei und mit der bloßen Liebe zum Spiel zu einem Team gekommen. Das Schicksal hat sich dann so gefügt, dass ich eine wichtige Rolle bekommen habe“, erzählt Söhnel. Vom defensiven „Kettenhund“, der Hustle-Plays und Rebounds liefert, bis zum Go-to-Scorer hat der 3x3-Rookie im Verlauf der Saison so ziemlich jede Rolle zumindest einmal ausgefüllt.
„SOMMERMÄRCHEN“ KRÖNT ERFOLGREICHES FRÜHJAHR
Dass Österreichs Teams auch um die großen Titel mitspielen können, unterstrichen die ÖBV-Stars dann im Frühjahr auf der beginnenden FIBA 3x3 World Tour. Bei den ersten drei von schlussendlich elf Masters-Auftritten belegte Team Vienna die Plätze fünf (Utsunomiya/JPN), drei (Marseille/FRA) und zwei (Edmonton/CAN). Damit deutet sich der erste Turniersieg der Saison, der dann im Juli in Almaty (KAZ) gelang, sozusagen an.
Dass die Wiener den Triumph in Kasachstan mit den Verletzungen von Matthias Linortner und Enis Murati bezahlen mussten, trübte die Euphorie vor der Heim-Europameisterschaft Ende Juli ein wenig. Während Linortner mit einem Achillessehnen-Einriss die gesamte restliche Saison verpasste, war Murati beim Highlight auf der Wiener Kaiserwiese mit einer Spezialschiene am Daumen dabei.
Angetrieben von insgesamt 50.000 Fans sorgte das ÖBV-Quartatt mit Söhnel, Murati, Blazan und dem späteren Turnier-MVP Nico Kaltenbrunner für eine Sensation. Im Schatten des Wiener Riesenrades spielte sich das Nationalteam nicht nur in die Herzen der Zuschauer:innen sondern auch auf Europas Thron. Emotionaler Höhepunkt war der Final-Sieg über 3x3-Großmacht Serbien.
„Dass wir uns nach der Enttäuschung der verpassten Olympia-Quali als Team aus dem Tief ziehen konnten und vor eigenem Publikum EM-Gold erobert haben, vor der größten Kulisse, vor der ich jemals spielen durfte, war unbeschreiblich“, unterstreicht Söhnel. Ob er den EM-Titel gegen die Olympia-Teilnahme eintauschen würde? „Ich würde nichts an dieser Saison ändern wollen!“
ZIELE UND TRÄUME
Auf der „Reise“ von Hongkong nach Hongkong hat das rot-weiß-rote Sextett neben Titeln vor allem Erfahrung sammeln können. „Wir sind als Team vor viele schwierige Situationen gestanden, an denen wir zusammengewachsen sind“, spricht Söhnel die bitteren Niederlagen ebenso an, wie die Verletzungen der Führungsspieler Linortner und Murati oder den Abgang von Trainer Milan Isakov. „Wir haben einige Watsch’n kassiert, aber sind immer wieder aufgestanden und haben weitergekämpft. Darauf kommt es im Mannschaftssport und im Leben an.“
Mit EM-Gold, zwei Masters-Titeln, dem zweiten Platz in der Regular-Season und der Festigung des fünften Rangs im FIBA-Ranking, hat Österreich seinen Status als Weltklasse-Nation untermauert. „Wir gehören zu den Top-3-Nationen im 3x3-Sport, haben die beste Mannschaft der Welt dieses Jahr dreimal geschlagen und im EM-Finale die beste Nation der Geschichte besiegt.“
„Wir werden respektiert, jetzt wollen wir beweisen, dass noch mehr in uns steckt“, kündigt der Allrounder an. „Persönlich möchte ich mir meinen Spaß am 3x3-Sport erhalten, besser werden und mehr Verantwortung übernehmen. Es gibt noch unendlich viel zu lernen. Als Team wollen wir nächste Saison die Nummer eins sein“, so die Kampfansage.
Auf dem Horizont sieht der ehemalige Highschool- und College-Basketballer das Olympische Feuer 2028 flackern. „Paris war nicht unsere letzte Chance. Wir wollen Österreich in Los Angeles vertreten und vielleicht haben wir bis dahin ja auch schon einen WM-Titel erreicht.“