Geschichte hinter der ersehnten Medaille
Fünfmal hat es Markus Schiegl probiert, fünfmal ist aber nichts passiert. Gemeinsam mit seinem Cousin Tobias hat der Tiroler im Rodel-Doppelsitzer so ziemlich alles gewonnen, was es eben zu zugewinnen gibt: Nur eine Olympia-Medaille ist Familie Schiegl verwehrt geblieben. In Nagano 1998 fehlten dem Duo als Vierter knapp zwei Zehntel auf Bronze, in Turin 2006 war es noch enger, da gaben sogar nur 0,02 Sekunden den Ausschlag. Nun, 30 Jahre nach seiner Olympia-Premiere in Lillehammer, gibt es jetzt doch noch eine Olympische Medaille bei den Schiegls. Sohn Moritz holte bei den Olympischen Jugend-Winterspielen in Gangwon in der Team-Staffel Bronze und bringt somit jene Medaille nach Hause, die der Papa vergebens zu gewinnen versucht hat.
„Die Medaille macht uns unglaublich Stolz. Moritz ist brutal fokussiert und hat sich diese Medaille als Ziel gesetzt. Es hat einfach alles gepasst und es müssen viele Dinge zusammenspielen. Zuerst muss man sich qualifizieren, dann muss es sich vom Alter ausgehen und dann muss noch die Form stimmen. Es ist einfach ein unglaublich schönes Gefühl. Wir sind in der Nacht immer aufgestanden und haben im Liveticker mitgeschaut, Übertragung gab es ja keine. Wir haben echt mitgezittert, weil die Aktualisierung oftmals etwas länger gedauert hat. Nach Platz vier im Doppelsitzer haben wir mitgelitten, aber die Freude ist jetzt dafür umso größer“, berichtet Papa Markus.
Wie der Vater, so der Sohn
Das Thema Olympische Spiele war bei den Schiegls lange kein Thema. Erst als Moritz mit elf Jahren selbst mit dem Rodelsport begonnen hat, kamen vermehrt Fragen und auch die beeindruckenden Erfolge des Papas wurden immer greifbarer. „Wir haben unsere Karriere nach den Olympischen Spielen in Vancouver beendet. Ich war dann komplett raus aus dem Rodel-Sport und habe mich auf meinen Beruf konzentriert. Irgendwann wollte Moritz dann selbst rodeln und hat seine Leidenschaft gefunden. Mein Vater, der uns damals schon jahrelang begleitet hat, ist da dahinter und unterstützt ihn in allen Bereichen. Ich halte mich da bewusst heraus, helfe aber natürlich gerne, wenn Moritz auf mich zu kommt und Hilfe braucht. Sie haben ein super Trainerteam, da sind die jungen Athlet:innen hervorragend aufgehoben.“
Je näher die Olympischen Jugendspiele in Gangwon kamen, desto umfassender wurden die Gespräche. „Die Einkleidung Anfang Jänner war dann ein einschneidendes Erlebnis. Er hat sich verändert, hat sich wohl viele Gedanken gemacht und gewusst, was das für eine Chance sein kann. Nervosität habe ich nicht erkannt, aber er war zunehmend im Tunnel und komplett im Fokus. Ich habe versucht ihm ein paar Inputs zu geben und ihm verschiedene Sichtweisen aufzuzeigen. Ich denke, er hat sie gut aufgenommen und sie waren in der Vorbereitung hilfreich“, so der fünffache Doppelsitzer-Weltmeister. „Der vierte Platz im ‚normalen Bewerb‘ war dann im ersten Moment bitter, da denkt man automatisch an seine eigenen vierten Plätze zurück – da kommen dann schon wieder Emotionen hoch. Wenn man nicht selbst daran denkt, wird man von anderen Leuten immer daran erinnert“, schmunzelt Schiegl und ergänzt: „Nach dem Training war klar, dass etwas Ungewöhnliches passieren muss, dass es für eine Medaille reicht. Sie haben zwei super Läufe erwischt und das Optimum herausgeholt, daher waren sie zufrieden.“
Das lange Warten hat ein Ende
„Ich glaube, Moritz wäre richtig enttäuscht gewesen, wenn er ohne Edelmetall heimgekommen wäre. Er ist ziemlich akribisch und sehr genau, will immer Kleinigkeiten verbessern. Diese Konsequenz zeichnet ihn aus, da hat er wohl viel von mir mitbekommen. Die Medaille ist großartig, aber ich glaube, er wird jetzt ein bisschen brauchen, bis er das verarbeitet. Die ganzen Interviews und Shootings, das macht etwas mit einem jungen Sportler. Aber es ist ein wichtiger Lernprozess. Es geht nicht nur die Leistung am Schlitten, sondern auch das Rundherum hat eine große Bedeutung. Wir sind unglaublich stolz und freuen uns, wenn er seinen Weg geht. Unsere bedingungslose Unterstützung ist jedenfalls sicher“, findet Papa Schiegl schöne Schlussworte. Jahrelang hat er selbst über die nicht gewonnenen Olympia-Medaille gehadert, nun findet er aber mit der Bronzemedaille des eigenen Sohnes endgültig einen emotionalen Abschluss.