Dass Tim Wafler auf die schiefe Bahn gerät, war schon bald klar, ist der Wiener doch erblich vorbelastet. Vater Roland hat im Holzoval des Dusika-Stadions – die Älteren werden sich noch an diese Sportstätte erinnern – hunderte, tausende, ja ziemlich sicher sogar noch ein paar mehr Runden abgespult. Und es 1996 beinahe zu den Olympischen Spielen in Atlanta geschafft, wäre das österreichische Team nicht um einen Platz an der Qualifikation vorbeigefahren.
Dass der Sohnemann in einer Sportart, die auch hierzulande bis heute von den Erinnerungen lebt, an besagtes Dusika-Stadion etwa, an Steher-König Roland Königshofer oder an Franz Stocher, der mehr als 3.000 Rennen bestritten und über 600 davon gewonnen hat, die Kurve kriegen und – obwohl in Kitzbühel geboren – nicht zum Skifahren abbiegen wird, stand bald fest. Im Alter von sieben Jahren drehte er seine ersten Runden, durchlief in Folge alle Nachwuchsklassen, raste dort alsbald an die nationale Spitze und machte schnell klar, dass der Leistungssport ein und der Spitzensport das andere Ziel sind.
Im Alter von 18 Jahren sorgte ein schwerer Verlauf des Epstein-Barr-Virus für einen Bruch im sportlichen Lebenslauf des Südstadt-Schülers. 635 Tage musste Wafler pausieren, stellte alles auf den Kopf und nicht nur einmal die Sinnfrage. Davon, erzählte er am Rande der Kollektionspräsentation, zehrt er bis heute, nämlich dass es ganz und gar nicht selbstverständlich ist, seinen Traum zu leben.
Dazu gehören neue Länder, neue Leute und neue Erfahrungen. Letztere wortwörtlich, absolviert der 22-Jährige das Einrollen in neuen Städten regelmäßig als Sightseeing-Tour mit dem Straßenrad. 250 Tage war er im letzten Jahr unterwegs: Australien, Hongkong oder Kanada. Aber auch Linz, Budapest oder Brünn, weil es in Wien keine Bahn mehr und also keine Trainingsmöglichkeit gibt, aber auch Palma de Mallorca und Portugal.
Seine erste olympische Erfahrung hat Wafler bei den Europäischen Olympischen Jugendspielen 2017 im ungarischen Györ gesammelt. Erinnerlich sind ihm der olympische Spirit und das Miteinander mit Sportler:innen aus Österreich und Europa, aber auch die Überforderung bei seinem ersten Großereignis und die sportliche Watsch’n.
Umso mehr freut sich der Allrounder unter den Umrundern auf seine ersten Olympischen Spiele. Auf Paris. Auf das Velodrom, in dem er seine erste Weltmeisterschaft gefahren ist und dass ihn so sehr an das Dusika-Stadion erinnert. Und darauf, auf der größten Sportbühne der Welt zu zeigen, dass er zu den 22 besten Bahnradfahrern gehört. Bislang war der ÖRV-Youngster auf Silber gebucht, Anfang des Jahres erstmals in der Allgemeinen Klasse bei der Europameisterschaft im Scratch.
Alles ist möglich, weiß Wafler spätestens seit Apeldoorn, obwohl es seine ersten Spiele sind und er einer der jüngsten Fahrer in einem Weltklassefeld ist. Es sollte bei Olympia kein Nachteil sein, dass er immer dann am schnellsten war, wenn die Rennen bestbesetzt waren. Mutig fahren und konstant, das Maximum nicht aus den Augen verlieren. Tim Wafler lebt seinen Traum, und manche sollen schon wahr geworden sein.